In der Reihe Artists' Window zeigen die Künstlerinnen Catrin Lüthi K, Monika Rechsteiner und der Künstler Tobias Nussbaumer explizit für die Schaufenster des DOCK geschaffene Arbeiten unter dem Ausstellungstitel "Agloe". Die drei Künstler spielen in ihren drei realen Installationen mit Illusion und Fiktion. Entstanden sind greifbare Sehnsuchtsorte, theatrale Architekturen und bildhafte Szenerien.
„Agloe“, der Titel der Ausstellung, bezieht sich auf den fiktiven Ort gleichen Namens, in dem sich Vorstellungskraft und Wirklichkeit durchkreuzen.[1] Die drei Installationen arbeiten bewusst mit der Imagination der Betrachtenden und lassen in der Verflechtung von Fiktion und Realität neue Räume entstehen.
Catrin Lüthi K interessiert sich für Landschaften als modellhafte Stücke von etwas Grösserem, an denen gesellschaftliche Veränderungen sichtbar werden. Vom städtischen Aussenraum des DOCKs aus betrachtet, präsentiert sich die Installation „Schneegrenze“ (2016) aus der Ferne zunächst als eine weisse Fläche, die an eine grossformatige, reduzierte Landschaftszeichnung erinnert. Die Fensterscheibe wurde mit einem opaken, lichtdurchlässigen Anstrich versehen – nur eine unregelmässige, ausgesparte Horizontlinie gewährt als Sehschlitz Durchsicht ins DOCK. Treten die Passanten näher ans Fenster, erblicken sie im Innern Fragmente einer imaginären Landschaft: Kantige Isolationsmaterialien aus dem Baumarkt, deren Farbe und Form an Eisschollen erinnern, evozieren im Zusammenspiel mit fotografischen Detailaufnahmen von Schneeflecken und Felsoberflächen die Vorstellung einer Gletscherlandschaft. Mit dem bewussten Einsatz von künstlichen Materialien und dem Nebeneinander von konträren Oberflächen, erzeugt Catrin Lüthi K in ihrer Arbeit ein optisches wie auch inhaltliches Spannungsfeld. Gletscher verkörperten im 18. Jahrhundert das Erhabene und die unbezwingbare Natur. Heute sind sie mit ihrem langsamen Verschwinden Indikatoren für den Fortschritt der globalen Erderwärmung – massgeblich verursacht durch den Erdölverbrauch – dem Grundstoff aus dem die verwendeten Materialien der Installation „Schneegrenze“ bestehen.
[1] In den 1930er Jahren zeichneten die Kartografen Otto G. Lindberg und sein Assistent Ernest Alpers den aus den Anfangsbuchstaben ihrer Namen gebildeten Ortsnamen an einer Strassenkreuzung in den Catskill Mountains (USA) ein. Dieser erfundene Ort sollte ihnen helfen Plagiate ihrer Karte zu erkennen. Nachdem im Laufe der Zeit viele Menschen das nur auf der Landkarte existierende Städtchen gesucht hatten, errichtete ein findiger Mensch an dieser Stelle im Nirgendwo den „Agloe General Store“. Wer heute danach sucht, entdeckt nichts mehr, das den Namen Agloe trägt: Auf den neusten Karten ist nichts mehr eingezeichnet und der Laden ist längst abgerissen. Trotzdem ist Agloe, die „paper town“ – wie man solche kartographischen Finten bezeichnet, nicht verschwunden, sondern lebendiger denn je. Agloe ist ein Sehnsuchtsort, den tausende von Jugendlichen (auf)suchen auf den Spuren der Hauptfigur des gleichnamigen Romans von John Green. Sie alle finden – davon zeugen unzählige Fotos und Videoclips im Netz – an den unterschiedlichsten Punkten das, was wir alle suchen: Einen Ort, den es nur in unserer Vorstellung gibt. Eveline Schüep / Simone Flüeler